Claudia Petrucci „Die Übung“

Wagenbach Verlag 2022 / Geb. / 304 Seiten / 23,00 €
Eine Empfehlung von Susanne Stammeier

Giorgia und Filippo, Mitte dreissig, leben in einem Stadtteil von Mailand. Sie sind nicht unglücklich, haben sich aber eher widerwillig mit den Anforderungen des Alltags arrangiert. Um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, arbeitet Giorgia an der Kasse eines Supermarktes, Filippo hat die Bar seiner Eltern übernommen. Ihre Beziehung ist eine Insel, die Ihnen das Gefühl geben soll, dass es sich nur um eine Lebensphase handelt, die sie überstehen müssen, um dann im „richtigen“ Leben anzukommen.

Schnell wird klar, das Giorgia über eine besondere Wahrnehmung verfügt und es ihr schwer fällt, die vielen Eindrücke und Reize ihrer Umwelt angemessen zu verarbeiten.

Eines Tages begegnet ihr im Supermarkt ein alter Freund, Mauro, Regisseur und Schauspieltrainer, mit dem sie eine Vergangenheit am Theater verbindet. Er überredet sie, bei seinem nächsten Stück mitzuspielen. Giorgia lässt sich nach einigem Zögern wieder ein auf die Welt des Theaters und ihre Rolle. Sie scheint glücklich und ausgefüllt, doch am Tag der Premiere bricht sie zusammen. Filippo ist verzweifelt. Er würde alles dafür geben, sein „altes“ Leben mit Giorgia weiterleben zu können. Gleichzeitig muss er einsehen, dass vieles, was er von Giorgia zu wissen glaubte, nicht der Wahrheit entspricht.

Bei seinen Besuchen in der Klinik begegnet er immer öfter Mauro, den ebenfalls viel mit Giorgia zu verbinden scheint. Schließlich entwickeln die beiden Männer einen abgründigen Plan, um Giorgia wieder am Leben teilnehmen zu lassen.

Der Roman der Autorin Claudia Petrucci, 1990 geboren, entwickelt einen unwiderstehlichen Sog. Gespannt folgt man den Protagonisten in eine Welt aus Schein und Sein, ihr Ringen um Identitäten und Gewissheiten. Ein sprachlich und psychologisch fulminantes Buch, welches einen tiefen Eindruck hinterlässt.