Mirrianne Mahn „Issa“

Rowohlt Verlag 2024 / Geb. / 304 Seiten / 24 Euro
Ein Lesetipp von Susanne Stammeier

Als Issa von Frankfurt nach Douala fliegt, ahnt sie nicht, dass diese Reise sie intensiv mit den Lebensgeschichten ihrer weiblichen Vorfahren und damit auch ihrer eigenen Geschichte konfrontieren wird. Sie ist schwanger und ihre Mutter hat am Telefon darauf bestanden, dass nur ein altes Ritual Unglück von Issa und ihrem ungeborenen Baby abwenden kann.

Als sie in Kamerun ankommt, fühlt sie sich sehr fremd und gleichzeitig überraschend tief verbunden mit dem Land. Sie trifft ihre Großmutter wieder, mit der sie als Kind – vor ihrem Umzug nach Deutschland – eine sehr innige Beziehung hatte. Aus Erzählungen und Gesprächen entfalten sich Lebensgeschichten ihrer weiblichen Vorfahren – bis in die Zeit deutscher Kolonialherrschaft.

Ungeschönt und dennoch liebevoll, erzählt Mirrianne Mahn spannend, verstörend und aufklärend über Herrschaft und Unterdrückung, Überlebenswillen und Selbstbestimmung.
Unbedingt lesen!

Daniel Mason „Oben in den Wäldern“

C.H. Beck Verlag 2024 / Geb. / 429 Seiten / 26 €uro  
Ein Lesetipp von Anne Auer

Ein Haus, mitten in den Wäldern von Massachusetts, und seine bewegte Geschichte bildet das Zentrum dieses eindrucksvollen Romans.

Obwohl sich die meisten Menschen, die das Haus über die Jahre bewohnen, nicht kennen, verweben sich ihre Geschichten zu einem wunderbar schlüssigen Ganzen. So verschieden die Einzelschicksale sind, so unterschiedlich ist auch der Erzählstil: Die Geschichte der entlaufenen Sklavin ist äußerst spannend erzählt, die musikalische Apfelbauerfamilie wird in einem Lied abgebildet …

Durch die sprachliche Vielfalt entsteht ein origineller abwechslungsreich geschriebener Roman über Vergänglichkeit und Wandel im Fluss der Zeit.
Absolut magisch!

Adriano Sack „Noto“

Nagel & Kimche Verlag 2024 / Geb. / 336 Seiten / 24 Euro
Ein Lesetipp von Susanne Stammeier

Adriano ist tot. Konrad reist mit dem gemeinsamen Hund und einem Teil von Adrianos Asche von Berlin nach Sizilien. Hier, in Ihrer zweiten Heimat, hatten sich Adriano und Konrad ein Haus gekauft, und hier sollen die Überreste von Adriano ihre letzte Heimat finden.

In seiner Trauer helfen Konrad die gemeinsamen Freunde, die ebenfalls auf Sizilien eingetroffen sind, und die ursprüngliche Kraft der Insel. Und Konrad erinnert sich: An die gemeinsame Zeit in Berlin und auf der Insel. An den Berliner Kulturbetrieb, zu dessen Prominenz Adriano gehörte. An Kindheit und Jugend. Und an all die Menschen, die uns im Leben begegnen und mit denen wir unseren Weg teilen.

Ein besonderes Buch! Kurzweilig, tiefsinnig, traurig, kraftvoll! Sehr lesenswert!

Rebecca F. Kuang „Yellowface“

Eichborn 2024 / Geb. / 384 Seiten / 24 €
Eine Empfehlung von Lukas Becker

Jung, attraktiv und eine gefeierte Romanautorin: Athena hat all das, wovon June nur zu träumen wagt.
Bis zu jener folgenschweren Nacht. Athena kommt unglücklich zu Tode und die einzige Zeugin ist June. Die Polizei und die Rettungskräfte sind verständigt, da sieht June es:
Auf Athenas Schreibtisch thront das vollendete Manuskript für einen neuen Roman. Aber wessen Roman ist es? Als June sich dazu entschließt, es einzustecken und schließlich unter Pseudonym zu veröffentlichen, nimmt die Geschichte ihren verhängnisvollen Lauf.

Yellowface ist eine rasante und spannende Geschichte über die Untiefen des Literaturbetriebs und ein scharfsinniger Roman über die Aneignung geistigen Eigentums!

Gerbrand Bakker „Der Sohn des Friseurs“

Suhrkamp 2024 / Geb. / 285 Seiten / 25 €
Eine Empfehlung von Lukas Becker

Endlich wieder ein starker Roman aus der Feder Gerbrand Bakkers!
Simon ist Mitte vierzig und leitet in dritter Generation den Friseursalon seines Großvaters.
Das Leben ist ruhig, Kundschaft eher selten und wenn er zwischendurch einen Espresso braucht, geht er eben schnell in seine Wohnung über dem Salon. Im Schwimmbad zieht er seine Bahnen, mehrmals in der Woche.

So läuft es, bis eines Tages einer seiner Stammkunden sich für die Geschichte seines Vaters interessiert und damit auch bei Simon die Frage aufwirft: Wer war dieser Mann, der 1977 bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam und den er nie kennengelernt hat?

Nicht nur ein tiefgründig erzählter Roman voller Wendungen sondern auch eine zärtliche Geschichte über Sehnsucht und menschliche Nähe. Mein Highlight in diesem Frühjahr!

Julia Linhof „Krummes Holz“

Klett-Cotta 2024 / Geb. / 272 Seiten / 22 €
Eine Empfehlung von Lukas Becker

Fünf Jahre ist es her, seit er zuletzt hier gewesen ist. Jetzt kehrt Jirka auf den Hof seiner Eltern im Krummen Holz zurück. Doch er kommt zu spät. Die mehrfachen Bitten seiner Schwester Malene, Sie gegen den unversöhnlichen Vater zu unterstützen, hat Jirka ignoriert. Nun schlägt Ihm eine Welle des Schweigens entgegen, die gelegentlich unterbrochen wird durch die Ausbrüche der dementen Großmutter Agnes. Aber wo ist der Vater abgeblieben?

Einer spricht mit Jirka: Leander, Sohn des damaligen Gutsverwalters.
Aber seine Nähe hält Jirka noch weniger aus als die drückende Hitze, die sich auf das Krumme Holz gelegt hat. Zu tief sitzen die Erinnerungen, die Scham. Gibt es Hoffnung auf Liebe, wo keine zu finden ist?

Krummes Holz ist ein sprachgewaltiges und fein gearbeitetes Debüt voller Intensität über eine Familie, in der die Hoffnung als letzte bleibt.

Emma Cline „Die Einladung“

Hanser Verlag 2023 / Geb. / 320 Seiten / 26 €
Eine Empfehlung von Gabriele Klinski

Emma Cline ist eine noch junge kalifornische Autorin, die vor einigen Jahren mit ihrem Debut „The Girls“ für Furore sorgte. Neugier und Aufmerksamkeit waren groß, als jetzt ihr neuer Roman erschien.

„Die Einladung“ ist eine subtile Geschichte um eine junge Frau, Alex, eine Hochstaplerin, nicht unbedingt sympathisch, rausgeschmissen aus ihrer Wohngemeinschaft in New York, nachvollziehbar, jetzt ohne Bleibe. Als Geliebte eines einflussreichen wohlhabenden Mannes, doppelt so alt wie sie, findet sie eine Unterkunft in seinem Haus in den Hamptons. Großartig? Ein kurzer unüberlegter Moment lässt ihr Kartenhaus einstürzen. Die Gunst ihres Gastgebers ist passe. Es geht um Macht, Abhängigkeit, Grenzüberschreitung. Unmöglich, sich nicht auf die Seite dieser jungen verzweifelten Frau zu stellen. Genau beobachtet, spannend und großartig komponiert.