Judith Kleinschmidt „Sofabanditen oder die verrückte Befreiung der Hühner“

Beltz Verlag 2021 / geb. / 170 Seiten / 12,95 € / ab 8 Jahren

Lesetipp von unserer Vor-Leserin Lia Henze aus Braunsfeld, 9 Jahre alt und ebenfalls schon Buchautorin. „Birdies Abenteuer“ lautet der Titel ihres ersten Buches, das im vergangenen Jahr erschienen ist.

„Sofabanditen“ ist eine sehr schräge Geschichte. Im Mittelpunkt steht das Mädchen Ada. Sie wird mitsamt dem Umzugswagen, in dem sie gerade sitzt und auf ihre Eltern wartet, gekapert. Und zwar von einem Schaf mit Nasenring und Leopardenmuster, Lilli, das die Hühner aus der Hühnerfabrik befreien will. Und so beginnt eine wilde und verrückte Fahrt ins Abenteuer mit vielen kleinen sehr fantasievollen Episoden. Die sind nicht gerade realistisch, aber dafür lustig.

Allerdings gibt es auch Dinge, die ich doof fand: zum Beispiel, dass Ada dem Schaf Lilli weh tut und kurz vor dem Ende ziemlich fies ist. Aber dadurch wird die Geschichte immer spannender und man will einfach weiter lesen, um herauszufinden, ob sie am Ende wieder Freundinnen sind.

Das Buch finde ich geeignet für fantasievolle Kinder. Insgesamt würde ich dem Buch 8 von 10 Punkten geben, weil ich viel gelacht habe und die Geschichte spannend fand.

T.C. Boyle „Sprich mit mir“

Hanser Verlag 2021 / geb. / 352 Seiten / 25 €

Eine Empfehlung von Detlef Gertkamp

Ich bin Sam. Sam ist ein Schimpanse, kommuniziert in Gebärdensprache und lebt mit dem Wissenschaftler Guy und der Studentin Aimee zusammen. Guy will in einem Sprachexperiment beweisen, dass es Kommunikation zwischen Schimpansen und Menschen geben kann.

Sam, aufgewachsen nur mit Menschen, entwickelt sich zu einem eigenständigen Individuum. Aber dann muss er schmerzlich lernen, dass er anders ist: „Schlüssel Schloss Raus“ – Sam erwacht in einem Käfig. Und kann nicht verstehen warum.

T.C. Boyle erzählt Sam’s Lebensgeschichte aus der Perspektive von Guy und Aimee, aber eben auch aus der des Schimpansen Sam.

Boyles neuer Roman „Sprich mit mir“ ist ungeheuer packend! Unterhaltsam und humorvoll erzählt, dabei realitätsnah ohne kitschig zu werden.

Joachim B. Schmidt „Kalmann“

Diogenes Verlag 2020 / geb. / 352 Seiten / 22,00 €
Eine Empfehlung von Nina Schramm

In einem kleinen Dorf im nördlichen Island lebt der 34-jährige Kalmann. Als Jäger, Haifänger und Hersteller von Gammelhai hat er hier seinen Platz gefunden und führt zugleich das Erbe seines Großvaters fort. Die Gedanken in Kalmanns Kopf drehen zuweilen wilde Pirouetten. Sein kindlicher Blick auf die Welt und auch sein Beruf, den er mit Passion betreibt und den geruchsempfindliche Zeitgenossen auf Abstand gehen lassen, haben ihm den Ruf des harmlosen Sonderlings eingebracht. Dennoch wird Kalmann in seinem Dorf akzeptiert und gemocht.

Als Kalmann bei einem seiner Streifzüge eine große Blutlache entdeckt, ist die Aufregung groß: Presse und Polizisten stürmen das Dorf und ziehen die Einwohner ordentlich auf links. Kalmann scheint etwas zu wissen, bekommt seine Gedanken jedoch nicht geordnet. Wer ist das Opfer, wo ist es, und was ist überhaupt passiert?

Wir als Leser verfolgen den Fall mit den Augen Kalmanns und bekommen dabei eine ganz besondere Sicht auf seine Welt und die Ereignisse darin. Ein Buch, das mich sehr bereichert hat, denn Kalmann ist eine ebenso skurrile wie glaubwürdige Figur, die keine Klischees bedient, sondern zeigt, wie bunt die Welt ist.

Foto Joachim B. Schmidt: Eva Schram © Diogenes Verlag

Alex Rühle & Barbara Yelin „Gigaguhl und das Riesenglück“

dtv Verlag / geb. / 40 Seiten / 14,95 € / ab 4 Jahren
Eine Empfehlung von Nicola Dielkus

So einen riesigen Riesen wie Gigaguhl haben Nick und Nina noch nie gesehen – genauer gesagt haben sie noch nie überhaupt einen Riesen gesehen. Und schon gar keinen, der Tieren ein Zuhause gibt. Auf seinem Nacken haben es sich Ziegen gemütlich gemacht und auf seinem Kopf, versteckt von vielen Haaren, lebt ein Einhorn. Auch Vögel finden bei ihm Platz und lassen sich in seinen Augenbrauen nieder. Für Nina und Nick, denen es in der Stadt manchmal zu eng wird, ist ihr neuer lieber Riesen-Freund ein Riesenglück, denn er zeigt ihnen die große weite Welt.

Dieses Buch ist ein ganz besonderes Fundstück mit seinen gereimten Versen und verträumten Illustrationen. Gigaguhl kennenzulernen und mit den Augen von Nick und Nina zu sehen gleicht einer Reise zum (Riesen-)Glück, wo kleine Dinge ganz große Beachtung finden.

Fotos: © Heike Bogenberger und © Martin Friedrich

Lou Beauchesne & Kate Chappell „Anton das Bison“

Carlsen Verlag / geb. / 48 Seiten / 9,00 € / ab 6 Jahren
Eine Empfehlung von Nicola Dielkus

Anton ist groß, stark, mutig und ziemlich haarig. Er ist ein Bison und der liebste Bücherheld von Louis in seinem Lieblingsbuch, das er überall mit hinnimmt. Bis Louis in der Bibliothek Dinosaurierbücher entdeckt, die sein Interesse wecken. Anton spielt keine Rolle mehr und ist sehr traurig darüber. Aber als wäre das noch nicht schlimm genug, packt Louis Mutter Anton zu den Büchern, die sie in die Bibliothek zurückbringen muss. Und dort wird Anton zuerst eins von vielen Büchern. Bis er seinen Freund Louis auf wundersame Weise wiederbegegnen wird, vergehen viele Jahre mit vielen Abenteuern für Anton in der Bibliotheken-Bücher-Welt.

Ein herzerwämerndes Buch zum Vor- und Selberlesen über Freundschaft, die nichts trennen kann.

Foto Lou Beauchesne: © Chantale Lecours

Jean Paul Dubois „Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise“

Verlag dtv / geb. / 254 Seiten / 22 €
Eine Empfehlung von Gabriele Klinski

Ein sperriger Titel, ein Buchcover, das m. E. nicht animiert, es in die Hand zu nehmen. Bitte nicht davon abhalten lassen, begegnen Sie diesem herausragenden Roman mit Neugier und Leselust!

Jean Paul Dubois (Foto © Normand Patrice) erhielt dafür 2019 den Prix Goncourt, den wichtigsten französischen Literaturpreis.

Er erzählt die Geschichte eines unbescholtenen Mannes, Paul Hansen, der jetzt im fortgeschrittenen Alter im Gefängnis von Montreal einsitzt, verurteilt zu zwei Jahren Haft. Seine Zelle teilt er mit einem Kraftpaket von Mann der Hells-Angels-Biker, verbal und körperlich sehr präsent und massiv. Hansen könnte seine Zeit im Knast verkürzen: Er müsste Reue zeigen. Tut er aber nicht.

Auf der zweiten Erzählebene geht es um seine Herkunftsgeschichte: Er ist der Sohn eines dänischen Priesters, der in den 60er Jahren wegen der Liebe nach Frankreich ging und, nachdem die Ehe zerbrach, sich allein Richtung Kanada aufmachte und in Montreal heimisch wurde. Sein Sohn, eben dieser Paul Hansen, folgt ihm bald, findet schnell Arbeit und später die Stelle als Manager eines Wohnkomplexes, die ihm zum Verhängnis werden wird.

Dubois erzählt über Aufbruch, Scheitern und Neuanfang: ein Stück Gesellschaftsgeschichte über mehrere Jahrzehnte, die diesem Roman eine besondere Spannung gibt.

Großartig, lebendig, facettenreich und sprachlich beeindruckend!

Fabio Geda „Ein Sonntag mit Elena“

Verlag Hanserblau 2020 / geb. / 220 Seiten / 20 €
Eine Empfehlung von Gabriele Klinski

Ein kleines Buch – im Format – eine stille Geschichte mit besonderer Wirkung:
Im Mittelpunkt des neuen Romans von Fabio Geda (Foto © Walter Menegazzi) steht ein Mann Ende sechzig, Vater von drei erwachsenen Kindern, die ihr eigenes Leben führen. Seine Frau lebt nicht mehr, vor gar nicht langer Zeit kam sie bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Er hat ein reiches Berufsleben hinter sich, als Ingenieur, der Brücken baute, war er auf allen Kontinenten unterwegs.

Jetzt lebt er allein mit vielen Erinnerungen in der großen Wohnung der Familie. Der Sonntag war Familientag und zum ersten Mal, seitdem er allein ist, lädt er eine seiner Töchter mit ihrem Mann und den Enkelkindern zum Sonntagsessen ein. Er bereitet alles vor, er kocht aus dem Rezeptbuch seiner Frau, eine neue aufregende Erfahrung. Schweißtreibend. Dann der Anruf, der Neues in Bewegung setzt!

Feinfühlig, durchaus melancholisch erzählt Fabio Geda von Hoffnung, Nähe und unerwarteten Perspektiven.