Kampa Verlag 2021 / geb. / 208 Seiten / 20 € Eine Empfehlung von Gabriele Klinski
Der junge, schon viel beachtete Kampa Verlag beginnt in diesem Frühjahr eine neue Reihe und nennt sie „Oktopus“. Dazu der Verlag: »Acht Arme, neun Gehirne, drei Herzen und jede Menge Charme. Ein wunderbar schräges und doch stimmiges Motto für die ersten Oktopus Bücher, die gleichermaßen das Herz erwärmen, den Geist anregen und dabei charmant verpackt sind.“
Der neue Roman von Rainer Moritz fällt für mich in die Kategorie „Herz erwärmen und charmant verpackt“.
Im Mittelpunkt steht Lisa, die wir mit 7 oder auch 8 Jahren kennen lernen und deren Leben wir bis Ende 50 Jahren begleiten. Eine Figur mit viel Temperament, vor allem Konsequenz. Aufgewachsen in einem kleinen Ort im Norden Deutschlands, eine ihr zugewandte Familie – an diesen Ort kommt sie immer wieder gern. Obwohl sie anders lebt als in den vorgesehenen Lebensentwürfen der damaligen Zeit: Allein, berufstätig, unabhängig. Ihr Credo. Lisa weiß, was sie will. Beruflich und in ihren Beziehungen. Es gibt Männer in ihrem Leben, man begegnet sich mit Respekt und Hingabe. Den einen Einzigen an ihrer Seite will sie nicht. Später, älter als Vierzig, gibt es ihn doch, allerdings ist er nicht ganz ihrer. Lisa stört das nicht. Oder doch und anders?
Rainer Moritz erzählt dieses Frauenleben in einem lakonischen Grundton, sensibel mit einem Hauch Melancholie.
Buch für die Stadt und die Region 2021 Das Buch für die Stadt ist eine gemeinsame Literaturaktion von „Literaturhaus Köln“ und Kölner Stadt-Anzeiger.
In diesem Jahr fiel die Entscheidung der Jury auf den Roman der 1972 in Halle geborenen Autorin Jackie Thomae, ihr zweiter Roman, mit dem sie auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2019 stand.
Nina Schramm, in der Buchhandlung bestens vertraut mit der Belletristik, sagt dazu: „Ein Roman über zwei Brüder, Mick und Gabriel, die den gleichen Vater und die gleiche dunkle Hautfarbe haben, jedoch getrennt voneinander aufwachsen und einander nicht kennen. Wir befinden uns im Osten Berlins und begleiten die beiden durch die Vorwendezeit der 80er, durch die Wende und bis in die 2000er Jahre hinein. Beide Brüder leben vollkommen unterschiedliche Leben, haben unterschiedliche Ziele und Moralvorstellungen. Thomae lässt uns am Leben der beiden Brüder teilhaben: Sie erzählt ruhig, klug, unangestrengt und ohne erhobenen Zeigefinger und schafft dabei ein Gesellschaftspanorama, das aktueller nicht sein könnte.“ Moderne zeitgenössische Literatur aus Deutschland. Wichtig und wirklich großartig!
Die Sonderausgabe des Romans erscheint im August im btb Verlag. Im Oktober wird es vom 3. bis 10. Oktober eine Aktionswoche in Köln und der gesamten Region geben.
Rowohlt Verlag 2021 / geb. / 220 Seiten / 22 € Eine Empfehlung von Gabriele Klinski
Selten habe ich in den ersten Wochen des Jahres ein Buch gelesen, dass mich dermaßen „mitgenommen“ hat: Eine Frau erzählt, höchst reflektiert, von entscheidenden zehn Jahren ihres Lebens. Sie ist Ende Fünfzig, als ihr Mann, einige Jahre älter, beruflich nicht mehr aktiv, einen schweren Schlaganfall erleidet, kurz darauf einen zweiten. Er wird zum Pflegefall, kann nicht gehen, lesen, schreiben, sich nicht klar artikulieren. An dem Abend, als der erste Schlaganfall geschah, hatte sie ihm mittags gesagt, dass sie nicht mehr an seiner Seite leben möchte. Jedoch: Im Augenblick des Geschehens wird aus ihr die Frau des Kranken. Die folgenden zehn Jahre leben Sie zusammen bis zu seinem Tod. Fürsorge, Zuwendung, Angst, Rettungsversuche, Aggression, Aufopferung, Zweifel, Wut, Freude, Trauer – all das charakterisiert diesen Lebensabschnitt der beiden. Sie kämpfen, leiden, wüten und erleben sich in neuer Innigkeit. Gabriele von Arnim erzählt ihre Geschichte mit großer Offenheit, denn: Zitat „Wir brauchen Geschichten, um das Leben zu verstehen“.
Piper Verlag 2021 / Paperback / 464 Seiten / 18 € Eine Empfehlung von Detlef Gertkamp
Eleonora Delle Grazie wird Kommandantin der ersten bemannten Marsmission. Sie bricht zu einem großen kosmischen Abenteuer auf, das auf der Erde in naher Zukunft beginnt und über den Mars in die Tiefen des Universums führt. Als Botschafterin und Mittlerin zwischen künstlicher Intelligenz und biologischer Existenz reist sie weit in die Zukunft; bis ans Ende von Raum und Zeit. Der Science-Fiction Autor Andreas Brandhorst beeindruckt mit spektakulären Zukunftsvisionen. In seinem neuen Roman „Mars Discovery“ greift er das Thema der Weiterentwicklung von KI’s zu einer globalen, den Menschen weit überlegenen Maschinenintelligenz auf. Mit allen darin liegenden Chancen und Gefahren. Science-Fiction in schönster Form. Auch nach 464 Seiten möchte man noch mehr.
Blumenbar Verlag 2021 / geb. / 128 Seiten / 15 € Eine Empfehlung von Sophie Wray
Ein weiteres Mal ist es der Autorin gelungen, eine packende Geschichte zu erzählen, die perfekt die Beklemmung des erzwungenen Hausarrestes einfängt, zugespitzt durch eine verzwickte Situation, wie man sie aus der Bibel kennt: Ein Baby zwischen zwei Frauen, ein Mann muss bestimmen, wem das Baby gehört. Bambi, der während den Zeiten von Corona von seiner Freundin rausgeschmissen wird, als sie herausfindet, dass er sie betrügt. Da nun obdachlos, fährt er zum leer geglaubten Haus seines verstorbenen Onkels, doch als er dort ankommt, muss er zu seiner Überraschung feststellen, dass seine Tante Bidemi dort ist, die ihm glücklich ihr Baby präsentiert. Doch jemand Viertes ist im Haus: Esohe, die Geliebte seines Onkels, die darauf besteht, dass das Baby ihres ist. Zu Anfang sicher, dass Esohe lügt, zweifelt Bambi mehr, je länger er mit den Frauen im Haus gefangen ist.
DTV 2021 / geb. / 368 Seiten / 22 € Eine Empfehlung von Tanja Hack
Die 27- jährige Kulturwissenschaftlerin Hannah schreibt an ihrer Doktorarbeit mit wenig Erfolg. Jeden Dienstag verlässt sie die Bibliothek früher als üblich, um ihre eigensinnige, verschlossene, fast 100 Jahre alte Großmutter Evelyn in ihrer Seniorenresidenz zu besuchen. Bei einem der Besuche entdeckt Hannah den Brief eines Anwalts aus Israel. Evelyn scheint die einzige Erbin eines geraubten, verschollenen Kunstvermögens zu sein. Über ihre Vergangenheit redet die alte Dame jedoch nicht. Hannah wird neugierig und begibt sich auf eine aufregende Reise: Die Suche nach dem Erbe und damit ihrer Familiengeschichte. Dabei trifft sie auf Frauen aus vier Generationen, jede nach einem selbstbestimmten Leben strebend. Temporeich und spannend erzählt, ein toller Schmöker!
DTV 2021 / kt. / 376 Seiten / 22 € Eine Empfehlung von Nina Schramm
Im fernen Petropawlowsk-Kamschatki, am äußersten südöstlichen Zipfel von Russland leben Sofija und Aljona. Als die beiden Schwestern nach einem sonnigen Strandnachmittag spurlos verschwinden, ist die ganze Region in Aufruhr. Im Zuge der nun folgenden polizeilichen Ermittlungen stellt sich heraus, dass das Verschwinden der beiden Mädchen Teil einer langen Kette von Ereignissen in der Gegend ist. Julia Phillips hat selbst ein Jahr auf der sibirischen Halbinsel verbracht und ist dort eingetaucht in eine Gesellschaft, die sich im Aufbruch befindet. Sie nimmt uns mit in eine faszinierende Welt, ursprünglich und in Bewegung zugleich, die noch vieles Abgründige verbirgt. Ein fesselndes Portrait einer Gesellschaft an einem Ort am anderen Ende der Welt – ein tolles Debut!