Kaveh Akbar „Märtyrer!“

Rowohlt Verlag 2025 / Geb. / 400 Seiten / 24 €
Eine Empfehlung von Susanne Stammeier

Das Romandebüt des 1989 in Teheran geborenen Autors passt in keine Schublade: Cyrus Shams sucht nach Zugehörigkeit, Erfolg und – nicht zuletzt – dem Sinn des Lebens. Seine Mutter starb beim Abschuss eines Flugzeugs über dem Persischen Golf, als Cyrus 1 Jahr alt war.

Schnell wird klar, dass noch andere Familienmitglieder stark vom Irak/Iran-Krieg in den 1980er Jahren geprägt wurden, allen voran ein Bruder von Cyrus´ Mutter, der stark traumatisiert ist und kaum noch Kontakt zu anderen Menschen hat.

Nach dem Unglück versucht Cyrus´ Vater, mit dem Säugling in den USA Fuß zu fassen. Als Arbeiter auf einer riesigen Geflügelfarm verdient er das Geld für ihr bescheidenes Leben, stirbt aber ebenfalls früh, während sein Sohn gerade erwachsen geworden ist. 

Cyrus ergattert einen Studienplatz und verdient sich nebenbei ein wenig Geld mit Patientensimulationen an einem Krankenhaus. Tatsache ist jedoch, dass er vor allem Alkohol und Drogen konsumiert und fast schon besessen davon ist, zumindest seinem Leben einen Sinn zu geben. Er schreibt Gedichte, träumt davon, ein Buch zu schreiben …

Als Cyrus den Hinweis auf ein ungewöhnliches Kunstprojekt im Brooklyn Museum erhält, macht er sich mit seinem Freund Zee auf den Weg nach New York – wo sein Leben komplett auf den Kopf gestellt wird.
Intensiv, packend und oft überraschend erzählt der Autor sowohl von Leben und Trauer, Migration und Glauben und – nicht zuletzt – von Liebe und Kunst.
Sehr lesenswert!

Maylis de Kerangal „Weiter nach Osten“

Suhrkamp 2025 / Geb. / 90 Seiten / 20 €
Eine Empfehlung von Lukas Becker

„Weiter nach Osten“ ist ein leiser, dabei kraftvoller Roman über zwei Menschen, die sich begegnen – irgendwo zwischen Fremde, Flucht und der flirrenden Bewegung einer Reise, die keiner von beiden ganz versteht. An Bord der Transsibirischen Eisenbahn treffen sich Aljoscha, ein junger russischer Zwangsrekrut mit dem festen Willen zu desertieren, und Hélène, eine Französin, unterwegs in einem Land, das ihr fremd ist, aus Gründen, die sie nicht teilt.

Sie sprechen nicht dieselbe Sprache. Und doch entsteht in den schmalen Gängen zwischen Schlafwagen und Nachtlicht etwas wie Verstehen – eine vorsichtige Nähe, eine wortlose Übereinkunft. Hélène nimmt Aljoscha mit in ihr Abteil, in ihre Geschichte, vielleicht auch in ihre Einsamkeit. Was daraus wird, bleibt offen: Flucht? Vertrauen? Oder nur ein Augenblick der Menschlichkeit inmitten der Ungewissheit?

Maylis de Kerangal erzählt mit großer Sensibilität – knapp, aber nie kalt, zart, aber nie sentimental. Sie verdichtet Landschaft, Atmosphäre und Zeit zu einer Bewegung, die mehr innere als äußere Strecke zurücklegt. Die Weite Russlands, das Rattern des Zuges, die flüchtigen Begegnungen im Transitraum: All das wird zum Spiegel innerer Zustände, zur Kulisse einer Verbindung, die zugleich zufällig und unvermeidlich wirkt.

Edouard Louis „Monique bricht aus“

S. Fischer Verlag 2025 / Geb. / 160 Seiten / 22 €
Eine Empfehlung von Lukas Becker

Édouard Louis‘ Monique bricht aus ist ein eindringlicher Roman über die Befreiung einer Frau aus den Zwängen von Armut, Geschlechterrollen und familiären Erwartungen. In knappen, präzisen Sätzen erzählt der Sohn die Geschichte seiner Mutter, die nach Jahren der Unterdrückung den Mut findet, ein neues Leben zu beginnen.

Der Roman berührt, ist zugleich soziale Anklage und Hommage an die weibliche Widerstandskraft. Es sind aber vor allem die ungesagten Dinge, die diesen Text ausmachen und uns zum Nachdenken anregen.

Wer literarische Werke schätzt, die persönliche und politische Themen kunstvoll verweben, sollte dieses Buch unbedingt lesen. Edouard Louis ist es gelungen.

Jessica Anthony „Es geht mir gut“

Kein & Aber Verlag 2025 / Geb. / 160 Seiten / 23 €
Eine Empfehlung von Susanne Stammeier

Kathleen und Virgil Beckett sind „angekommen“. Virgil hat eine neue Stellung in einem Versicherungsbüro, Kathleen kümmert sich um die Söhne Nicholas und Nathaniel und den Haushalt. Die Wohnung in der modernen Wohnanlage „Acropolis Place“ in Newark, Delaware soll zwar nur vorübergehend ihr Zuhause sein, aber es lässt sich leben.

In den späten 40er Jahren – der Zweite Weltkrieg ist vorbei – wollen die Menschen nach vorne schauen. Aber etwas ist anders an diesem Sonntag im November. Es ist ungewöhnlich warm für die Jahreszeit und als Virgil mit den Kindern vom Gottesdienst nach Haus kommt, kann er seine Frau in der Wohnung nicht finden. Schon am Morgen hatte Kathleen sich unwohl gefühlt, konnte aber keinen Grund dafür nennen. Schließlich entdeckt einer der Söhne seine Mutter im Swimming Pool der Anlage. Es ist das erste Mal, das ein Mitglied der Familie den Pool benutzt und Kathleen denkt nicht daran, das Wasser vor dem Abend wieder zu verlassen.

Plötzlich verschieben sich die täglichen Gewohnheiten und Abläufe, Virgil möchte den Sonntag eigentlich – wie immer – mit den neuen Kollegen auf dem Golfplatz verbringen. Aber wer kümmert sich dann um die Kinder? Und was denken die anderen Bewohner über seine Frau, die im alten Badeanzug aus ihrer Collegezeit den Tag allein im Pool verbringt?

Fragen tauchen auf. Wer ist diese Frau eigentlich, was weiß Virgil von ihr. Und er? Ist sein Leben so, wie er es sich vorgestellt hat? Hat er nicht auch Geheimnisse? Welche Rolle spielt die Zeit, in der sie leben?

Souverän, spannend und psychologisch überzeugend erzählt die Autorin von zwei Menschen, die beschlossen haben, ihr Leben miteinander zu verbringen. Sehr lesenswert – ein kleines Juwel!

Raphaelle Red „Adikou“

Rowohlt Verlag 2024 / Geb. / 224 Seiten / 24 €
Eine Empfehlung von Susanne Stammeier

Adikou ist bei Ihrer Mutter in Frankreich aufgewachsen. Der Vater kommt aus Togo, ein politisch Verfolgter, den Adikou kaum kennt. In Togo möchte die junge Frau mehr über Ihre Wurzeln erfahren, sich selbst besser verstehen – und nicht zuletzt ihren Vater wiedersehen.

Schnell wird klar, dass Adikou unter ihrem „Gemischtsein“ leidet. Die Erzählperspektive wechselt immer wieder zwischen der Ich-Erzählerin und einer 3. Person. Dadurch wird auch stilistisch die Vielfalt und Widersprüchlichkeit von Adikous Gedanken und Empfindungen deutlich.
Ein Bekannter der Familie „Der Professor“ empfängt Adikou am Flughafen in Lomé und hilft Ihr, sich in den ersten Tagen zurecht zu finden. Danach macht sie sich allein auf den Weg.

In einer sehr bildhaften Sprache erzählt die Autorin sowohl von Adikous ganz persönlichen Erfahrungen, die sie auf Grund ihrer Hautfarbe gemacht hat und immer noch macht, als auch vom jahrhundertealten, schmerzhaften Erbe der „coloured people“. Im Roman schafft die Protagonistin es tatsächlich, einige Verwandte und auch ihren Vater zu treffen. Aber ist jetzt alles gut?
Ein sehr lesenswertes Buch! Zugleich schonungslos und mitfühlend erzählt, hat mich „Adikou“ noch eine eine ganze Zeit lang begleitet.

Marcus Bensmann / CORRECTIV „Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst“

Dienstag, 18. Februar 2025 um 19:30 Uhr
Lesung und Gespräch mit Marcus Bensmann und Lale Akgün

Im Januar 2024 gingen nach einer Veröffentlichung von CORRECTIV über das Geheimtreffen von AfD-Politiker:innen und Mitgliedern der konservativen CDU-Werteunion mit rechtsextremen Populisten in Potsdam Millionen Menschen auf die Straße, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen.
Marcus Bensmann, Senior Reporter bei CORRECTIV und maßgeblich an dieser Veröffentlichung beteiligt, hat viele Jahre über die AFD recherchiert. In seinem Buch zeigt er auf, welche Pläne die Radikalen an der Parteispitze und ihre Einflüsterer verfolgen und was Deutschland bevorsteht, sollten sie einst tatsächlich tun können, was sie wirklich wollen.
Im Gespräch mit Lale Akgün wird er über seine Rechercheergebnisse informieren, die ideologischen Konzepte erläutern und darüber mit dem Publikum diskutieren.

Marcus Bensmann berichtete 20 Jahre lang für deutsche Medien in Zentralasien. Seit 2014 recherchiert er für CORRECTIV, u.a. als Experte der Neuen Rechten.

Moderation: Lale Akgün, deutsche Politikerin und Autorin zahlreicher Sachbücher, u.a. über Migration und kulturelle Identität.

Eintritt: 12 €, um Anmeldung wird gebeten. Kartenreservierungen in der Buchhandlung Klinski unter Telefon 0221/94 16 527 oder per Mail an info@buchhandlung-in-braunsfeld.de.

Die Veranstaltung findet im Rahmen der Reihe CORRECTIV auf Tour statt.

Warum jetzt? Demokratie wählen

Stephan Lamby
Dennoch sprechen wir miteinander
C.H.Beck Verlag 2025 / Geb. / 248 Seiten / 25 €
von Arnim / Kehlmann / Bärfuss
Demokratie
Rowohlt Verlag 2024 / Geb. / 24 €
Jens Bisky
Die Entscheidung
Rowohlt Verlag 2024 / Geb. / 640 Seiten / 34 €
Eva Kienholz
Eine kurze Geschichte der AFD
Rowohlt Verlag 2024 / Geb. / 272 Seiten / 18 €
Jürgen Wiebicke
Erste Hilfe für Demokratie – Retter
KiWi Verlag 2024 / kt. / 112 Seiten / 12 €
Markus Bensmann / CORRECTIV
Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst
Galiani 2024 / kt. / 256 Seiten / 22 €

Jetzt hier bestellen