Luca D‘andrea „In Zeiten des Todes“

Tropen 2024 / Geb. / 726 Seiten / 26 €
Krimirezension von Malie Smeets (EF)

Lorena Haller: Prostituierte und für jedes ihrer 24 Lebensjahre ein Messerstich im Körper. „Das ist kein Mord wie alle anderen.“ denkt der junge Comissario Luther Krupp. Dabei ist er allerdings fast allein. Es sei ein „Arbeitsunfall“ gewesen und dieser gehöre nunmal zum „Arbeitsrisiko“ einer Prostituierten dazu. Noch weniger hilft es, dass Krupp bei den Kollegen sichtlich unbeliebt ist, da er sich von der unorthodoxen Arbeitsweise der Polizei distanziert. Glücklicherweise hat er Ariana Lici an seiner Seite, welche er entgegen der Vorschriften zu seiner Assistentin macht. Jedoch trotz ihrer starken Hingabe für den Job verlaufen die Untersuchungen schleppend; ein Motiv zu finden ist nahezu unmöglich. In der Verbissenheit den Fall zu lösen wird Krupp immer mehr zu dem Polizisten, den er nie sein wollte. Natürlich gelangt der Fall in die Presse. Hier arbeitet Alex Miller, der gerade versucht sich den Presseausweis zu verdienen. Ständig wird er von seinem Redakteur angesetzt, moralisch verwerfliche Bilder der Opfer zu schießen oder Artikel zu schreiben, die offensichtlich falsche Theorien und Zeugenaussagen enthalten. Das nennt sein Redakteur „für Gesprächsstoff sorgen“. Es ist schließlich keine Lüge „wenn du es im Konjunktiv schreibst“. Auf der Suche nach einem Weg die Geschichten anders zu erzählen wird er vielleicht zu einem besseren Polizisten als die Polizei selbst. Doch noch ahnt niemand, dass Lorena nur ein Mord in einer fürchterlichen Serie ist.

Der Roman orientiert sich an den Fällen um das Monster von Bozen, wobei der zweite Teil des Buches D‘andreas eigene Ergänzung ist. Viele Details stimmen mit den damaligen Umständen komplett überein oder wurden nur leicht verändert, um besser in Geschichte zu passen. Nur zum Ende des ersten Teils hin weicht das Geschriebene merklich von dem wahren Tathergang ab. Der Täter wirkt etwas weniger brutal als sein Vorbild und erinnert in seiner Sprechweise etwas an ein Kind. So präsentiert D‘andrea einen alternativen Ermittlungshergang durch fiktive Charaktere auf der Basis einer wahren Begebenheit.

Der Leser wird überrascht mit den unzähligen sprachlichen Mitteln, welche sich durch die Geschichte ziehen, und mit jeder Erwähnung eine andere Bedeutung erlangen. Auch werden ständig alte Elemente oder Aussagen von Charakteren aufgegriffen und in einen neuen Kontext gerückt. Verknüpft mit verschiedenen Erzähl-Elementen wie Protokollen und Zeitungsartikeln erhält man ein kurzweiliges Leseerlebnis, welches abgerundete Charaktere mit hervorragenden Charakterentwicklungen enthält.

Charaktere hat dieser Roman jedoch einige. Direkt zu Beginn wird der Leser mit einer Flut von Namen überhäuft, welche mit jedem Mord zunimmt. Hierdurch war es teilweise schwierig, Handlungen nachzuvollziehen und ich fand mich oft Seiten zurückblättern um meine Erinnerung an eben genannte Personen aufzufrischen.

Nach dem etwas schwächeren zweiten Teil, überrascht D‘andrea mit einem gut gelösten Ende, welches den sonst etwas zusammenhangslosen Teil an den anderen anbindet. Ganz in seinem Stil enthält auch dieser Thriller zentrale Moralische Konflikte, mit denen jeder Charakter unterschiedlich umgeht.

„In Zeiten des Todes“ sticht besonders durch einen Schreibstil heraus, der realistisch und anschaulich die Geschichte des Monsters von Bozen beschreibt. Durch den Umfang ist es jedoch keineswegs ein Gelegenheits-Thiller in den man sich schnell nach etwas längerer Zeit wieder einfinden könnte. True Crime Fans kommen hier aber definitiv auf ihre Kosten.

Freida McFadden „Wenn sie wüsste“

Heyne-Verlag 2023 / Klappenbroschur / 400 Seiten / 13,99 €
Empfohlen von Claudia Kürten

Millie ist kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden und dringend auf Arbeitssuche. Als sie die Stelle der Haushälterin/Kinderbetreuerin bei Nina und ihrem Mann Andrew auf Long Island bekommt, ist sie überglücklich. Und toleriert die Ungereimtheiten – die sich sehr schnell zeigen – als weiteren Vorteil für sich. Denn eine Chefin, die das Haus regelmäßig verwüstet, wird sie doch sicher nicht entlassen, wenn sie, Millie, ohne zu klagen, alles wieder in Ordnung bringt?

Aber Nina ist auch extrem eifersüchtig und ihr attraktiver Mann Andrew hilft Millie, wo er nur kann. Die Eskalation scheint unvermeidlich und der erste Höhepunkt des Thrillers ist erreicht, als Nina zornig das Haus verlässt. Doch keine Sorge: Jetzt wird es erst richtig spannend!

Für alle Krimileser*innen mit Spass an Überraschungen und starken Frauenfiguren!

Kester Schlenz, Jan Jepsen „Der Bojenmann“

Btb 2023 / Klappenbroschur / 320 Seiten / 16 €
Empfohlen von Claudia Kürten

Flott und routiniert geschriebener Krimi mit einer originellen Idee, hanseatischem Flair und dem charmant üblichen Krimi-Personal: tiefgründiger Ermittler, starke Partnerin, überheblicher Pathologe und unangenehmer Staatsanwalt. Ein Serientäter sucht Hamburg heim und inszeniert seine plastinierten Leichen gekonnt rund um den Hamburger Hafen und der City.

Erster Fall für den Hamburger Kommissar Thies Knudsen, leitender Ermittler des LKA, spannender Auftakt mit Gruseleinlagen: lesenswert.

Hayley Scrivenor „Dinge die wir brennen sahen“

Eichborn Verlag 2023 / Geb. / 368 Seiten / 22 €
Empfohlen von Claudia Kürten

Hochsommer in Australien, Weihnachten ist nicht mehr weit – Ronnie und ihre beste Freundin Esther machen sich nach der Schule gemeinsam auf den Heimweg so wie immer, verabschieden sich voneinander, danach verschwindet Esther spurlos. Eine groß angelegte Suche beginnt …

Erzählt wird diese Geschichte aus der Perspektive mehrerer Personen, unter anderem von Ronnie und dem gemeinsamen Freund Lewis, von Esthers Mutter, die ermittelnde Polizistin, und – wie ein griechischer Chor – den Kindern des ländlichen Ortes Durton, in dem sie alle leben. Hier kennt jeder jeden, viele der Bewohner sind miteinander verwandt, zahlreiche Geheimnisse werden gehütet. Bis Esthers Leiche gefunden wird. Trauer, Schrecken und Verdächtigungen folgen und nach erfolgreich abgeschlossener Ermittlung ist vieles nicht mehr wie zuvor.

Eine beklemmende und eindrücklich erzählte Geschichte, die in all ihrer Schlichtheit nachwirkt und die Leserschaft mitten hineinzieht in diese kleine, überhitzte Stadt unter der australischen Sommersonne!

Marc Raabe „Der Morgen“

Ullstein-Verlag 2023 / Klappenbroschur / 592 Seiten / 17,99 €
Empfohlen von Claudia Kürten

„Der Morgen“ ist Auftakt einer neuen Krimireihe von Mark Raabe mit Schauplatz Berlin und zwei besonderen Protagonist*innen: Artur (Art) Mayer ist in einer Pflegefamilie aufgewachsen, heute ist er der – verkrachte – BKA-Ermittler mit der besten Aufklärungsquote.

Nele Tschaikowski ist Kommissaranwärterin und die Nichte des Polizeipräsidenten.
Als an der Siegessäule die Leiche einer Frau gefunden wird, setzt der Abteilungsleiter die beiden gemeinsam an die Aufklärung – auf persönlichen Wunsch des Bundeskanzlers, der ein Jugendfreund von Art Mayer ist. Das Mordopfer ist die Frau des Gesundheitsministers, in einer guten Woche beginnt der G20-Gipfel in Berlin, und auf dem Körper der Toten steht deutlich sichtbar die Adresse der Kanzlervilla. Die Lösung des Falles gestaltet sich schwierig: Soll der Kanzler persönlich in Verruf gebracht werden, ist die Tat möglicherweise politisch motiviert – oder geht es um etwas ganz anderes?

Spannend, vielschichtig und angenehm menschlich ist dieser packende Thriller eine perfekte Lektüre für Fans der gehobenen Krimikost!

Wolf Haas „Müll“

Simon Brenner Bd. 9
Verlag Hoffmann und Campe 2022 / Geb. / 288 Seiten / 24,00 €
Eine Empfehlung von Susanne Stammeier

Auf einem Wiener Mistplatz (dt.: Altstoffsammelzentrum) tauchen Teile einer Leiche auf – jedes Teil in einer anderen Sperrmüllwanne, und trotzdem nicht korrekt sortiert!

Unter den Müllmännern herrscht große Aufregung – nur Ihr neuer Kollege und Ex-Polizist Simon Brenner behält einen klaren Kopf. So schnell lässt er sich von seinen Mitmenschen schließlich nicht täuschen und seine eigene private Situation meistert er doch auch mit links. Oder?

Der neue Brenner: Ein unterhaltsamer und spannender Krimi, der fast beiläufig einen Einblick in menschliche Schicksale und dubiose grenzüberschreitende Machenschaften gibt.

Andreas Brandhorst „Das Bitcoin Komplott“

Fischer 2022 / TB. / 608 Seiten / 17 €
Eine Empfehlung von Detlef Gertkamp

Der Bitcoin als neue Leitwährung? Die Weltwirtschaft steckt in der Krise. Das nutzt eine Gruppe von Investoren um den Finanzmagnaten Francis Forsythe, den Bitcoin als Leitwährung mit unlauteren Mitteln durchzusetzen. Um ein neues digitales Finanzsystem unter ihrer Kontrolle zu etablieren, brauchen sie den Erfinder der Digitalwährung Bitcoin, Satoshi Nakamoto, dessen Identität jedoch unbekannt ist. Martin Freeman, ein Journalist, recherchiert aus Interesse und privater Betroffenheit im Fall Nakamoto und kommt ihm durch Zufall auf die Spur. Dabei gerät er in allergrößte Gefahr.

„Das Bitcoin-Komplott“ ist ein hochaktueller Wirtschaftsthriller. Informativ und packend geschrieben. Und in manchen Aspekten erschreckend nah an unserer aktuellen Wirklichkeit.